Freitag, 30. September 2011

Das Kastanien-Prinzip


1. Kastanien fallen im Herbst von den Bäumen.
2. Kastanien sind mehr als nur Bastel- und Dekorationsmaterial.
3. Wer die Kastanie ehrt ist des Glückes wert.
4. Glückskastanien fallen nicht willkürlich.
5. Sie fallen vor die Füße der Person, der sie Glück bringen wollen.
6. Wenn man eine extra Kurve geht, um die vermeintlich schönste Kastanie zu finden statt die aufzuheben, die für einem bestimmt ist, weist das auf Eitelkeit statt Wünsche.
7. Glückskastanien müssen liebevoll eingesteckt und aufbewahrt werden.
8. Man darf selbstgefundene Glückskastanien an Menschen verschenken, denen man Glück wünscht.
9. Die erste Kastanie des Tages muss man allerdings selbst behalten.
10. Es gibt keine Höchstgrenze an Glückskastanienfunden.
11. Wenn einem eine Kastanie auf das Auto fällt oder vors Fahrrad gilt das gleiche Prinzip. Aus- bzw. Absteigen und einstecken.
12. Was nach den Kastanien folgt ist ungewiss.
13. Sicher ist nur, dass der Herbst immer wiederkommt.


a. Potsdam hat sehr viele Kastanienbäume.
b. Lässt sich somit in dieser Stadt besonders einfach das Glück finden?
c. Und gilt das ganze Prinzip auch bei zerfahrenen Kastanien, die vor meinen Füßen lagen oder gilt das Glücksprinzip dann umgekehrt?

Dienstag, 20. September 2011

Potsdam begrüßt mit Musik

Mein erster Tag in der neuen Heimat.
Nach sechs Jahren hatte ich sie nun erreicht: die bevölkerungsärmste Stadt in der ich jemals abseits von Plüschow leben sollte. Mit 156.906 Einwohnern doch tatsächlich knappe 50.000 weniger als Rostock. Nach dieser Erkenntnis hatten die Vorurteile ihre freie Bahn in meinem Gemüt. Die Erinnerungen an die Hansestadt für zwei Jahre: zauberhaft, verträumt und furchtbar klein. Dachte ich nach den 3 Monaten im noch nicht einmal 100-Seelenort Plüschow, dass ländliches Idyll, die Möglichkeit viel Zeit im Grünen zu verbringen und persönlich Eier vom Hof zu kaufen ein Seelenheil sein könnten, änderte sich meine Meinung schlagartig. Ich fuhr am Ortsschild vorbei, was folgte waren Bäume, Sträucher, Wiesen, hier und da ein Haus, Schloss Sanssouci und dann tatsächlich einige Straßen: wir waren im Zentrum angelangt. Der Lichtblick war meine Zwischenunterkunft: zentral gelegen, ein Haus mit Abbruchcharme wie ich es wünsche und innen drinnen gemütlich sowie verdammt kalt an den Füßen. Um keine unnötigen Minuten verstreichen zu lassen, ging es gleich los ins holländische Viertel auf direktem Wege zu dem Glas Wein, dass die Zukunft rosiger aussehen lassen sollte. Mit angeschimmerten Blick ging es weiter ins Einkaufsparadies Fußgängerzone. Da lag sie vor mir die Stadt mit den sanierten Gebäuden, kaum zerstörten Denkmälern und liebevoll gekehrten Pflastersteinen. Kurz vor dem Brechreiz, den solche idyllischen Orte bei der Vorstellung hier die nächsten Jahre zu verbringen bei mir hervorrufen, kamen wir an eine Kreuzung. Auf der anderen Straßenseite das Format von Bühne, die jene Kleinstädte noch entsetzlicher machen. Eine von RTL 104,6 gesponserte Auftrittsfläche auf der wohl gleich eine Countryband spielen würde und die Einheimischen davor peinlich berüht oder begeistert mitwippen. Doch dann anstatt Cowboyhüten und einheitlicher Bandkluft stehen da Jupiter Jones. Zwar musikalisch nicht vergleichbar mit dem Angebot des MAU-Clubs (meine beste Erinnerung an Rostock), hob es dennoch mein Stimmung bei dem Gedanken an Potsdam. Für lau und draußen bei Sonnenschein war dies wohl die Begrüßung, die die Stadt vor meiner totalen Verdammung rettete und wer weiß, vielleicht kommt noch mehr, was mir gefallen könnte. Zur Not bleibt mir zumindest die Nähe zu Berlin.