Was habe ich mich bemüht. Die Berlinale. Ich wohnhaft in Berlin. Mein Konto in regelmäßigen Abzügen kurz vor Null. Das Nützliche mit dem Notwendigen zu verbinden, sollte hier ein leichtes werden. Eingedeckt in rot-schwarze Arbeitskluft, war ich eingeteilt für den EFM (European Film Market). Auch wenn ich weit weg von den handelsüblichen Spielstätten und damit jedem Glanz und Gloria war, ich fühlte mich dem ganz Großen immer noch ganz nah.
Der Südeingang war unser Revier: kalt, zugig, menschenleer. Mit dem Scanner oder wahlweise einem Handzählgerät standen wir auf verlorenem Posten. Nur für den Schein allerdings in hochhackigen Schuhen. Was das für die Fußsohlen bedeutet, acht Stunden mit mehr oder meistens weniger Beschäftigung rumzustehen, muss ich wohl nicht betonen, erwähnen sollte man es trotzdem: Schmerzen waren hier ein oft genanntes Stichwort.
Bei der Einweisung siedelte sich mein Gefühlszustand zwischen Überforderung und Nervosität an: Alles läuft auf Englisch ab, wo was ist, sollten wir schon drauf haben und niemanden durch die Kontrolle entwischen lassen. Hörte sich das alles wichtig an. Zu dieser Sekunden, hatte ich tatsächlich das Gefühl vermittelt bekommen, ich könnte möglicherweise unterqualifiziert sein für den Job. Zugegeben diesen Selbstbewusstseinsmangel kann ich auch sehr gut alleine erzeugen. Aber ich hatte schließlich bei dem Bewerbungsbogen in der Sparte Englisch "sehr gut" angekreuzt und so auf internationalem Niveau hätte ich meine Einschätzung gerne revidiert. Da stand ich also und durchwühlte mein Gedächtnis nach wichtigen englischen Vokabeln. Lächerlich, lächerlich, vollkommen lächerlich hatte ich mich damit vor mir selbst gemacht. Wo geht es zur Akkreditierung? Wo kauft man Tagestickets? Und wo sind die Toiletten? Wahnsinn meine Englischkenntnisse wurden aufs übelste getestet. Nun weiß ich es sicher: Mein Englisch ist "sehr gut".
Die Erkältung, die sich schon bei der Einweisung ihren Weg bahnte, wurde am Südeingang nicht besser. Direkt neben der Tür zum Hinterhof raffte es mich langsam aber sicher dahin. Nach einer Woche war ich so schwer krank, dass ich es einen Tag sogar nicht zum Einsatzposten schaffte, aber wer hätte es gedacht, man kam auch ohne mich aus.
Von den Mitarbeiterkinotickets erfuhr ich auch erst als alle guten Filmtickets schon vergeben waren. So blieb mir vom Restposten nicht viel und vor allem nur Filme, von deren Inhalt ich keinen blassen Schimmer hatte. "Leicht muss man sein, fliegen muss man können" hörte sich allerdings titeltechnisch so gut an, dass ich einfach die zwei Karten nahm, die ich bekam. Den freien Berlinale-Samstag - der EFM war inzwischen abgewickelt, alle Filme für 2012 verkauft und die offizielle Arbeitszeit damit vorbei - wollte ich also für diesen Film nutzen. Schließlich bestanden die Tage davor nur aus schlafen, aufstehen, arbeiten bzw. erschöpft rumstehen, nach Hause fahren und wieder schlafen. Das sollte ja nun nicht alles an Ninas Berlinaleerfahrungen gewesen sein. Eine Dokumentation über Herbert Tobias, meine Intuition hat thementechnisch vollkommen ins Schwarze getroffen. Bevor der Film startete gab die Regisseurin allerdings schon die Warnung, der Film ist ein NO-NO-Budget-Projekt. Naiv und gutgläubig wie ich bin, dachte ich mir dabei nichts schlimmes. Doch kein Geld zur Verfügung gestellt zu bekommen, ist keine Entschuldigung für die nächsten 90 Minuten. Das Beste am Film war und blieb der Titel. Dafür quälte ich mich meine andauernden Hustenanfälle mit Neo Angin und Wasser im Saum zu halten. Die bösen Blicke besonders des streng intellektuell aussehenden Herrn vor mir, führten dazu, dass ich mich wirklich schlecht fühlte. Aber nach zehn Tagen Arbeit hatte ich mir doch einen Film verdient? Wäre ich doch einfach aus dem Kino gegangen. Die Ausfälle der Tonspuren, das Wackeln der Kamera und dieser Nullinhalt waren es nicht wert mit Blicken und Gezeter diskriminiert zu werden. Die aufregende Berlinale war für mich vorbei. Der tiefste Stein für meine Filmfestivalzukunft ist damit gelegt und ich hoffe auf Großes, dann halt im nächsten Jahr.
P.S. Die wichtigen Namen, die ich im Laufe meiner Festivaltätigkeit gesehen habe, waren: Frank Thomas Mende, Dieter Moor, Mathis Künzler, der, der mich an Heino Ferch erinnert, Dominik Graf und noch einmal Dieter Moor.
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