Genau ein Jahr später bin ich also wieder in Berlin, wieder mit dem Kontostand knapp bei Null und mit dem Angebot im Postfach, doch wieder die Einlasskontrolle beim European Film Market zu geben.
Ein Jahr zuvor.
Da ich meine letzte Klausur genauo einen Tag vor Arbeitsbeginn hatte, bis 21. Februar sowieso noch internetlos und damit beinahe lebensunfähig sein sollte und mein bloßes Dasein mir noch kein Geld brachte, entschloss ich mich also zu einem Revival der kalten Berlinale Version. Doch meine Arbeitserfahrung hat mich dieses Jahr zumindest vom kalten Südeingang des Gropius-Baus an den Nordeingang und damit an den spannendsten (wenn es denn als solches bezeichnet werden kann) Ort der Einlasskontrolle gebracht.
Ab 8:30 Uhr stand ich im altbewährt, deswegen nicht schöner gewordenen, rot-schwarzem Arbeitsdress und brachte die geschäftige Masse mittels eines Scanners gegen mich auf. Einige Menschen wollten einfach nicht in meiner Erinnerung haften bleiben und so scannt ich sie wohl bis zu 30 mal am Tag nach ihrem Toilettengang. Mit anderen war ich zum Schluss auf so engem "Augen per Du", dass ich sogar liebevolle Blicke, Augenzwinkern, Lächeln, manchmal auch meinen Vornamen und und ein Abschiedsgeschenk des französischen Messestandes zugeworfen bekam. Da am letzten Tag nicht mehr von Bestechung die Rede sein konnte, nahm ich den Kaffeethermobecher achtungsvoll mit.
Obwohl ich durch meine Eingangskontrolle auch eine Dozentin und zwei Kommilitonen gewähren ließ und damit an meinem sozialen Rang zweifelte, war ich dieses Jahr trotzdem ein Schritt weiter. Mit dem Studentenausweis der HFF und dem Ziel Filme zu machen in der Handtasche und im Herzen, lernte ich andere Hochschulstudenten kennen und sammelte einige seltene Visitenkarten und das nur auf dem Weg vom Eingang Nord bis zum gewünschten Stand. Dass ich jene wie solche nicht wiedersehen sollte, trotz ernsthafter gescheiterter Versuche bei der überfüllten Filmhochschulparty im Gretchen, ist dabei nebensächlich.
Denn es gibt ja ein nächstes Jahr und der erhoffte finanzielle Geldregen wird mich dann schon an einen anderen Ort der Berlinale spülen - hoffentlich.
Zusatz: Einzig wirklich, wirklich enttäuschender Aspekt war die Nicht-Anwesenheit von Dieter Moor. Dieses Jahr war ich innerlich vorbereitet auf eine Umarmung, aber ohne Herrn Moor kein Anschmiegen. Ansonsten betrug sich die "Promi"-Dichte meiner EFM-Erfahrung auf folgende Personen: Dieter Kosslick (trotz immenser Aufregung zuvor, musste uns deren Assistentin darauf hinweisen, dass sie doch nicht gescannt werden möchten, die fehlenden Fanfaren hatten uns irritiert und ihn sowie sie zum geschäftigen Volk zählen lassen), Alexander Beyer, Markus Majowski und ein Schauspieler, der ihm relativ ähnlich sah und dessen Namen ich gerade nicht sinnieren möchte, sowie mein persönlicher Liebling: Bjarne Mädel, der sich ohne Akkreditierung vor mir rumdruckste, mit einem "Moin, Moin" meine Sympathie erschlich und den ich dann zum Informationsstand begleitete. In der Tat so groß war die Begegnung, nichts wurde geschönt.