Dienstag, 26. April 2011

Freitag, 22. April 2011

Aber Gott grüßt doch nicht zurück


"Grüß Gott" Alltagsfloskeln am Rande der Sinnlosigkeit: Mit dem Zug gerade die Südgrenze passiert, überlege ich tatsächlich, ob Verweigerung hierbei notwendig, sinnfrei oder nebensächlich ist. In wilder Unentschlossenheit lächle ich den Schaffner an und halte ihm meinen stündlich abgestempelten Fahrschein entgegen. Wahrscheinlich haben die hügelige Fahrt und die Sommerhitze ihr übriges getan. Verwirrt komme ich in Bayern an. Genauer Schwandorf bei Regensburg. Das ländliche Idyll wollte ich über Ostern zur Spontanerholung nutzen und zur Bekämpfung der Einöde meiner Mutter. Sie ist hier für einen Monat im Künstlerhaus untergekommen und die täglichen Mails ließen deutlich werden, dass hier zwar Entspannung und Raum zur geistigen Entfaltung auf dem Tagesprogramm stehen, aber sonst nix geht.

Die nächsten Tagen bestanden - wie es sich im Paradies gehört - aus viel gutem Essen, gutem Wein und kultureller Entfaltung.

Um nicht total zu erschlaffen, wurden einen Tag die Fahrräder aufgepumpt und die Umgebung im sanften Rollen entdeckt. Nach anstrengenden zwanzig Minuten ließen wir uns ins Gras fallen und bestaunten ein wenig stehendes Naab-Wasser. Ob es nun eine fadenscheinige Aufbruchaussage meiner Mutter war oder doch nur der Einfall nebenbei, unsere Ruhepause wurde jedenfalls abrupt mit den Worten "Danach müsste ihr euch dann aber nach Zecken absuchen" beendet. Schließlich hat man gehört, das selbige in den südlichen Gefilden gefährlich sein können.
Mit den Füßen auf den Pedalen und damit möglichst weit weg vom Gras, der Wohnort der gefährlichen Blutsauger, zurück ins Dorf. Im Brauhaus bestellten wir unser verdientes Alster, nicht ganz, Radler muss es hier sein.



Letztendlich zeigt sich, dass nicht der bayerische Dialekt mir das letzte Verständnis rauben sollte, sondern ein gekonnter Sprachmix im Künstlerhaus selbst. Zu Gast war ein bulgarisches Ehepaar, das nur Russisch sprach, eine Schottin, die nur Englisch sprach, Deutsche, die nur Deutsch und weniger als ein bisschen Englisch sprachen und mittendrin meine Mutter und ich mit dem gekonnten Tschechisch-Russisch-Deutsch-Englisch-Mix.

Viel zu schnell ging Ostern dann vorbei. Mit Osterbrot, einem Kilo Spargel und leichter Sommerbräune verließ ich Bayern am frühen Montagmorgen. In Hof wechselte das Zugpersonal und "Grüß Gott" ging von Bord, dafür begrüßte mich "Hallöe, eimae die fagadn büddoe". Von bayerisch zu sächsisch - ich weiß nicht, sagt man da "Herzlichen Glückwunsch"?

Montag, 4. April 2011

Richter als Synonym für Unschärfe

Künstlerische Stippvisite mit den Eltern in Hamburg. Diesmal alles unter dem Deckmantel Gerhard Richters. Meine persönliche Kunstbegeisterung begann in meiner Erinnerungszeitrechnung mit dem Besuch des Museum Ludwigs in Köln. Betty von Gerhard Richter überzeugte und überzeugt mich auch heute noch, nicht aus Gefälligkeit Dauerbegleitung meiner Eltern in Ausstellungen zu sein, sondern aus ernsthaftem Interesse und Begeisterung für zeitgenössische Kunst. (Angaben ohne Gewähr, ob Betty wirklich mal im Ludwig war, mir ist so)

Gerhard Richter: Bilder einer Epoche
Bucerius Kunst Forum in Hamburg
bis 15. Mai 2011


Fotos aus dem Kontext des Zeitungsartikels herausgerissen, übrig bleiben bizarre Szenen und am Anfang dieser Wirkungsperiode einzelne Schriftzüge. Es scheint, dass von den anfänglichen Experimenten bis zu dem berühmten Baader Meinhof-Zyklus den Besuchern ein kleines Format einer Retrospektive präsentiert wird. Ob es sich lohnt, das Herantasten und Ausprobieren zu dieser Art der Auseinandersetzung mit Medien und Zeitgeschehen, in diesem Rahmen zu zeigen, wage ich allerdings zu bezweifeln. Auch von Großen muss man wohl nicht alles zeigen. Und viel Platz kommt bedeutenden Bildern meistens eher zu Gute als das die Leere enttäuschen würde. Trotz alle dem ist die obere Etage mit dem RAF-Thema den Blick wert (fotografieren verboten). Dass die Zusammenstellung im Erdgeschoss bemüht wirkt, wird besonders deutlich, da das interessanteste Kunstwerk nicht der thematischen Periode der Ausstellung zuzuordnen ist. Im übrigen eine Leihgabe des Museum Ludwigs in Köln.

Ema (Akt auf einer Treppe)
1966
Öl auf Leinwand




UNSCHARF. Nach Gerhard Richter
Hamburger Kunsthalle
bis 22. Mai 2011


Zeitgleich zeigt die Hamburger Kunsthalle eine Ausstellung in Anlehnung an die typische Arbeitsweise Richters. Gezeigt in den undankbaren Ausstellungsräumen des Hubertus-Wald-Forums: Wie immer relativ dunkel und der Rundgang durch die undurchsichtige Bauweise der Räume wie immer verwirrend. Die Interpretation des Begriffes Unschärfe hätte weniger engstirnig ausfallen können, aber ich war zu begeistern. Traf ich doch zum ersten Mal in meinem Leben auf Fotografien von Michael Wessely. Dieser zeigt in einem einzigen Abbild mit Hilfe von Langzeitbelichtung einen ganzen Prozess und ganze Zeiträume. Persönliche Highlights:

Wolfgang Kessler
Zwischenraum (Schatten)
2006

Franziskus Wendels
Echtzeit 3
2009


Gerhard Richter
Tulpen
1995


Michael Wesely
1. Mai-Demonstration, Potsdamer Straße, Berlin
10:03-10:08 Uhr, 1.5.2008


Pétalas 2
22.-27.4.2008


Marc Lüders
AG_02
AG_28
AG_24
AG_73
2010
(von links nach rechts)


Ausschnitt AG_28


Johanna Semiatek
Wie eine Götterspeise auf Beinen
2007