Donnerstag, 30. September 2010

Man ist wieder da ohne weg gewesen zu sein...

Seit Wochen wenn nicht sogar Monaten bin ich wieder zurück in Deutschland. Der kurze Ost-Abflug war spaßig und toll und hat mein Wesen bis ins Mark erschüttert, dachte ich zumindest die paar Stunden Autofahrt zurück an die Küste. Voll drin im ich-schnapp-mir-meinen-Rucksack-und-bloß-gleich-weiter-Gefühl. Die Welt sehen, die Welt erfahren, jetzt erst Recht. Das ganze Spießbürgertum kann mich mal kreuzweise. Dass ich das alles mit Augenzwinker und "Ja-Klar"Tonlage erzähle, versteht sich hoffentlich von selbst, ich war schließlich in Tschechien und nicht im mongolischen Plateau unterwegs. Das mag für Einige schon tiefste Zone sein und trotzdem ist Prag auch nur ne größere, ausländische, mit fettigen Speisen um sich werfende, andere Variante der Heimat. Aber es kommt schließlich zwangsläufig immer mehr und mehr. Und alles zusammen ergibt ein Ganzes, was mich ändert. Dass ich das nicht merke, ist dabei wohl nebensächlich und unnötig. Wenn ich von meiner Couch aufstehe werde ich die Welt schon irgendwann sehen und sie mich. Wen interessiert schon das mongolische Plateau.

Montag, 20. September 2010

Nachts ist alles möglich

Am Ende der neuzusammengestellten Sammlung kommt es: der von Farbgebung und stickiger Luftzufuhr an einen Ofen (oder auch das Vortor zur Hölle?) erinnernden "Room with My Soul Left Out, Room That Does Not Care". Der Hamburger Bahnhof zeigt noch bis zum 10. Oktober die Ausstellung "Dream Passage" des US-amerikanischen Künstlers Bruce Nauman.



Anlass dafür ist das dauerhafte Architektur-Ausstellungsstück mit dem eingangs genannten imposanten Titel. Was in der Werkschau noch an Neon und bewegten Bildern präsentiert wird (nicht weniger grenzerfahrend), findet zum Ende des Rundgangs seinen erschreckenden Höhepunkt. Drei Gänge kreuzen ihren Weg, führen nach vorne hinten, rechts, links, oben und unten. Was in der Sammlung als Modell noch relativ harmlos wirkt, schließlich klein und mit einer Drahtfigur anstelle von mir, ist als Abschluss der Ausstellung ein ziemliches Schockmoment.



Nauman spielt schon in der farbigen Ausstellung viel mit dem Raum und dem Gefühl in Raum. So kann man sich in einer engzulaufenden Wand einschließen lassen.




Oder sieht in einer raumausfüllenden Videoinstallationen den unendlichen Kampf eines Clowns mit einem an ihm zerschellenden Wasserballon. Natürlich steht es einem frei die Kunstwerke Naumans zu betreten. Und zum Glück auch sie irgendwann wieder zu verlassen. Für mich stand am Ende der Ausstellung fest:

"Raum ohne meine Seele, ein Raum, dem das gleichgültig ist" hält was er verspricht.

Freitag, 17. September 2010

Seht ihr denn nicht meine Persönlichkeit?

„Bei einigen Leuten frag ich mich, warum sie nicht gleich wieder gehen, die müssen doch auch merken, dass das nicht passt.“ War das ein eindringlicher Blick in meine Richtung? Wie jetzt? Meint sie mich? Ich fühl mich eigentlich ganz wohl, zumindest nicht unwohler als die Ausfragerunden zuvor. „Tja Scheisssituation“ sag ich und bleibe sitzen, schließlich wurde vorher gelacht. Ich geh hier nicht eher, bis einer dieser alternativen, im Bio-Supermarkt einkaufenden, fernsehverachtenden, zum Musik machen in den Park fahrenden und dauerbedröhnten WGler mein wahres Ich erkennt. Ja, ich trage keine Ringelsocken, sondern höchstwahrscheinlich politisch inkorrektes von der Stange, ich spiele kein Instrument und setzte mich nicht gleich im Schneidersitz auf fremde Sofas, und trotzdem pass ich in diese WG. Oder ach scheiss drauf, hauptsache ich pass überhaupt in eine WG.
Das größte Problem an der ganzen WG-Suche ist überhaupt nur, dass man am Ende gar nicht mehr weiß, wer man eigentlich wirklich ist. Jedes Mal gewillt mich so zu geben wie ich bin, ob mir etwas gefällt oder auch nicht, wird dieser grandiose Plan schon über den Haufen geworfen sobald ich die Klingel drücke. „Du wohnst im 6. Stock... ach... das stört mich nicht. Sport im Alltag bla bla.“ Nicht nur, dass ich versuche mir so etwas einzureden, ich komm auch noch oben an und verkaufe, dass ich nur halb außer Atem bin, während ich eigentlich nach der Sauerstoffzufuhr in Reinformat Ausschau halte. Letztendlich ist die WG der große Meister und hält alle Schlüssel in der Hand. Da nun mal auch der ersehnte eigene WG-Schlüssel dabei ist, verkauft man sich mehr als dass man sich kaufen lässt. Schon allein aus der eigenen Natur heraus, kann ich die Wohnung nicht verlassen ohne das Gefühl, dass die Person da drin mich irgendwie mochte. Meine Menschenkenntnis hat mich auf jeden fall ein ums andere Mal betrogen. Keine WG wollte mich, über die Hälfte hat mir das noch nicht einmal gesagt. Die Erkenntnis musste irgendwann von selbst kommen. Das ernstzunehmende daraus resultierende Ego-Problem laste ich eindeutig diesen Erfahrungen an.
Die verwirrendste Begegnung war bei „Sie haben 10 Sekunden – Los geht’s“. Ich betrete die düstere aber wirklich schöne Wohnung mit hohen Wänden, Riesenräumen, antiken Möbeln und innovativer Badeinrichtung. Dieser Wohnungsinhaber braucht keinen Mitbewohner, er sucht einen zum Spaß. Eigentlich hat er genug Geld um alleine zu wohnen, aber warum nicht sich ab und an einem Menschen im Nebenzimmer halten. Da das Zimmer trotz muffigen Geruchs wirklich grandios und günstig war, hieß es für mich sich also ins Zeug legen. Ein Mammutsprojekt schließlich war ich Alleinunterhalter, denn scheinbar hat schon mein Outfit nicht überzeugt und so redete der Mann praktisch kaum mit mir. Nach zehn Minuten hatte ich ihn scheinbar mit meiner Persönlichkeit aus der Reserve gelockt und er erzählte tatsächlich etwas über sich, die Wohnung, seine Arbeit. Am Samstag war ein Straßenumzug seines Theaters, er selbst ist dort Lichttechniker. In meiner Gedankenwelt legte ich mir zurecht dort noch mal aufzutauchen, für heute reichte es. Müdigkeit, Fussschmerzen und der Rücken zwangen mich auf den Heimweg. Auf dem Weg zur Tür erklärte mir dann seine Vorgehensweise: Er würde das spontan entscheiden. Wenn er denkt das passt, dann passt das und wenn nicht, dann nicht. Wie jetzt? Also passe ich nicht? Passe ich eventuell? Wozu zum Teufel latschen wir denn hier zwanzig Minuten durch die Wohnung, wenn er es eh schon auf dem Weg hoch zur Wohnung wusste. Einverstanden, dann passe ich wohl nicht. Am Samstag regnete es in Strömen und ich freute mich diebisch, dass eine meiner Hasshoffnungen erfüllt wurde.
Nach 52 Anfragen, 19 Antworten, 15 Wohnungsbesichtigungen und dem eigentlich entscheidenden einer Zusage ist für mich jetzt erstmal Schluss. Aber in einem halben Jahr bin ich wieder auf dem Berliner Wohnungsmarkt unterwegs, schließlich wohn ich nur zur Zwischenmiete.