Für Bahnangestellt kann es wohl kaum möglich sein, sich im Privaten noch zu entschudligen, schließlich bestimmt der Satz "Wir bitten um Entschuldigung" den Arbeitsalltag. Die alte "Die Bahn ist doof"-Leier ausgelatscht ist, nichtsdestotrotz die Leipzig-Berlin-Fahrt in 6,5 Stunden-Akten.
Frühzeitig mache ich mich auf den Weg zum weihnachtlich geschmückten Bahnhof. Der Plan ist, fünf Euro zu sparen und anstatt 1,5 Stunden im ICE zu verbringen, man hat schließlich gehört, dass hier vollkommenes Schneechaos herrscht, 3 Stunden mit der Regionalbahn zu fahren. Über Lutherstadt Wittenberg auf indirektem Wege nach Berlin. Doch hier die erste Verspätung: 30 Minuten. Eine für die Verhältnisse wirklich freundliche Bahnangestellte erklärt mir, dass es nichts nütze den Zug zu nehmen. In dem Fall müsste ich wohl 2 Stunden am dortigen Bahnhof verbringen und auf den nächsten Anschlusszug warten. Stattdessen fährt eine halbe Stunde später doch ein anderer über Falkenberg und es ist keine Verspätung in Sicht. Zeitverschleissstand: Bisher 1 Stunde.
Ich lass den Zug also ohne mich abfahren und verbringe noch eine halbe Stunde in der Buchhandlung. Ich fahre nach Falkenberg. Wir nehmen zwei Entschuldigungen entgegen und sind 15 Minuten zu spät. Alles kein Problem der Anschlusszug wartet dieses Mal. Doch dann: Als würde ich sie anziehen, sitzt diese lautkreischende, total entspannte Familie nicht nur in meinem Abteil sondern fordern auch meine aktive Hilfe beim Aussteigen. Also angepackt, unelegant vorbeijongliert. Ich verliere die Orientierung, denke, dass ich den passenden Bahnsteig hinabgestiegen bin. Doch: Nein. Mein Blick fällt auf die Schienen gegenüber: Mein Zug und dahin hetzende Menschen. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Ich fege die Treppe hoch, wieder runter, laufe, doch es nützt alles nix, trotz Gezeter und Gewinke: der Zug fährt. Mit etwas weniger Schnee hätte ich mich wahrscheinlich noch hinten dranhängen können. Aber da steh ich im inzwischen dunkel gewordenen Falkenberg. Seit 3 Stunden bin ich jetzt auf dem Weg nach Berlin. Und die Zeit wird sich verdoppeln. In zwei Stunden fährt der nächste in die Hauptstadt.
Eine Alternative?
Woran denken Sie? Hier?
Ein offenes warmes Plätzchen?
Hier? Nur der Wartesaal!
Fluchend zieeh ich mich also wieder auf den verhassten falschen Bahnsteig und setzt mich in der Wartesaal ohne Heizung. Nach einer Stunde wärme ich mich mit einem Tee auf, immerhin. Damit ich bloß nicht den nächsten Zug verpasse mache ich mich frühzeitig zum richtigen Gleis auf. Mal wieder vollends verwirrt, weil eine ganz andere Richtung als die richtige am Zug steht, sitzt ich also verängstigt im Wagon. Nach zehn Minute die Erlösung: Der richtige Zug, die richtige Richtung, das Ziel naht. Letztendlich komm ich sogar pünktlich am Hauptbahnhof an. Es trennen mich nur noch einige Entscheidungen und das S-Bahn-Chaos vom heimeligen Zimmer.
Die erste S-Bahn muss ich ziehen lassen, es ist kein Platz für mich und meine Reisetasche. Aber zwei Minuten später ist es gewiss: Ich komme bald Zuhause an. Erschöpft lass ich mich auf einen der S-Bahnsitze fallen. Kurz bevor ich mich der absoluten Egoismus-Meckerei hingeben:
"Der aktuelle Straßenfeger, helfen Sie mir mit dem Kauf einer Zeitung."
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